Hydrozephalus bei Erwachsenen

Hydrozephalus oder Wasserkopf – was ist das?

Hydrozephalus, umgangssprachlich als Wasserkopf oder früher auch als Gehirnwassersucht bezeichnet, ist eine ernsthafte Erkrankung, die durch ein Ungleichgewicht im Nervenwasserhaushalt entsteht. Die Behandlung erfolgt meist operativ, wobei Risiken durch moderne Techniken reduziert werden können. Dennoch erfordert die Therapie eine enge Überwachung, um Komplikationen zu vermeiden. Am Diakonie Klinikum Jung-Stilling in Siegen haben die erfahrenen Neurochirurgen im Team rund um Chefarzt Prof. Dr. med. Veit Braun langjährige Erfahrung in der operativen Behandlung von Hydrozephalus bei Erwachsenen und Kindern. Operationen finden hier in einem modernen Hybrid-Operationssaal statt, der optimale Bedingungen für einen schonenden Eingriff bietet.

 

Wie kommt es zu einem Hydrozephalus (auch: Hydrocephalus)?

Das Gehirn ist vom Nervenwasser (Liquor) umspült. Dieser wird in den Hirnkammern vom sog. Plexus choroideus gebildet. Die vier Hirnkammern im Gehirn sind durch schmale Kanäle miteinander verbunden. Ein Erwachsener hat ca. 170 ml Liquor im Körper. Dieser wird am Tag ca. dreimal neu gebildet, also ca. 500 ml pro Tag. Damit es nicht zu einem Ungleichgewicht kommt, muss die neu gebildete Menge auch wieder vom Blut aufgenommen werden. Hierzu sind die sogenannten Arachnoidalzotten (Pachionische Granulationen) zuständig. Kommt es zu einer Abflussstörung, z.B. durch Verschluss oder Einengung eines der Verbindungskanäle, oder zu einer Rückresorptionsstörung, z.B. durch Verklebung der Arachnoidalzotten, steigt die Menge an Nervenwasser und damit der Druck im Gehirn an, was zu Beschwerden führt.

 

Hydrocephalus: Symptome und Verlaufsformen

Der Hydrozephalus kann angeboren oder erworben sein, akut oder chronisch verlaufen. Zu den angeborenen Fehlbildungen, die mit einem Hydrozephalus einhergehen, gehören der Dandy-Walker-Komplex oder Spina bifida.

Je nach Ursache spricht man von einem Verschlusshydrozephalus (Hydrocephalus occlusus) durch Abflusssstörungen bzw. von einem Hydrozephalus malresorptivus durch Liquorrückresorptionsstörungen. Ein Hydrocephalus hypersecretorius liegt vor, wenn der Körper zu viel Gehirnwasser produziert.

Akut auftretende Abflussstörungen infolge von Blutungen oder Infarkten im Kleinhirn zeichnen sich durch eine akute Hirndrucksteigerung aus. Dies führt in kurzer Zeit zu Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und zunehmendem Bewusstseinsverlust mit lebensbedrohlichem Ergebnis.

Eine ähnliche Symptomatik – nur nicht ganz so rasch und dramatisch – entwickelt sich, wenn sich die Abflussstörung oder Rückresorptionsstörung innerhalb weniger Tage ausbildet. Das kann bei Tumoren, Aneurysmablutungen oder Stammganglienblutungen mit Einbruch in die Hirnkammern der Fall sein.

Anders ist dies beim sogenannten (chronischen) Alters- bzw. Normaldruckhydrozephalus. In diesem Fall bilden sich die Symptome Gangunsicherheit, Harninkontinenz und dementieller Abbau auch als Hakim-Adams-Syndrom bezeichnet, schleichend über Monate aus. Das wichtigste Symptom ist dabei die Gangstörung, das zwingend für die gesicherte Diagnose eines Normaldruckhydrozephalus vorhanden sein muss, während die beiden anderen Symptome nur fakultativ gefordert sind. Dies bedeutet, dass bei einer Demenz oder Inkontinenz ohne gleichzeitig vorhandener Gangstörung keine weitere Diagnostik bezüglich eines Normaldruckhydrozephaluses notwendig ist.

 

Wie häufig tritt Hydrocephalus auf und wer ist häufiger betroffen?

Etwa ein Neugeborenes von 1000 kommt mit einem Hydrozephalus zur Welt. Meist liegt dann eine angeborene Form vor, die auf Entwicklungsstörungen während der Schwangerschaft zurückzuführen ist.

Auslöser für erworbenen Hydrocephalus sind Hirnverletzungen, Entzündungen wie Meningitis, Tumoren oder ein Schlaganfall. Exakte Angaben zur Häufigkeit sind schwierig, da der Hydrozephalus in jedem Lebensalter vorkommen kann. Zudem variieren die Häufigkeiten je nach Form der Erkrankung.

 

Formen des Hydrozephalus und ihre Häufigkeit

  • Hydrozephalus occlusus (Verschlusshydrozephalus): Dieser Typ macht etwa 60 Prozent der Fälle aus. Er entsteht durch eine Blockade, die den Abfluss von Hirnwasser behindert. Man kann sich das etwa wie bei einem Wasserschlauch vorstellen, der durch einen Gegenstand abgeklemmt wird. In der Folge staut sich das Wasser und der Druck im Schlauch steigt.
  • Hydrozephalus nonresorptivus (Resorptionsstörung): Etwa 30 Prozent der Betroffenen leiden an dieser Form, bei der das Gehirnwasser nicht ausreichend vom Blutkreislauf aufgenommen wird. Es sammelt sich im Gehirn an und in der Folge steigt der Hirndruck.
  • Hydrozephalus hypersecretorius (Überproduktion): In rund 10 Prozent der Fälle produziert der Körper zu viel Nervenwasser, wodurch der Druck im Gehirn steigt.
  • Normaldruckhydrozephalus (NPH): Diese Form betrifft vor allem ältere Menschen. Männer erkranken doppelt so häufig wie Frauen, wobei die Erkrankung auch schon in jüngeren Jahren auftreten kann. Seine genauen Ursachen sind unbekannt, vermutlich spielen Alterungsprozesse und Durchblutungsstörungen eine Rolle. Allerdings können auch junge Menschen an einem Normaldruckhydrozephalus erkranken.

Lexikoneintrag zu Hydrocephalus

 

Diagnoseverfahren bei gestautem Hirnwasser

Wichtigster diagnostischer Test ist das versuchsweise Ablassen von ca. 50 ml Nervenwasser über eine Lumbalpunktion. Dies macht aber nur bei den nichtokklusiven Formen Sinn. Bei 70 Prozent unserer Patienten korrelierte ein positiver CSF tap Test auch mit einem Therapieerfolg nach Shuntimplantation.

 

Behandlungsoptionen des Hydrozephalus

Beim Verschlusshydrozephalus reicht es vielfach, einen neuen Abflusskanal durch Eröffnung der dritten Hirnkammer zu den äußeren Liquorräumen zu schaffen (sog. Ventrikulozisternotomie, siehe Bild). Ein Shunt kann in diesen Fällen vermieden werden. Bei den Rückresorptionsstörungen kommt man um einen Shunt selten herum, meist wird das Nervenwasser in den Bauchraum, seltener in den rechten Herzvorhof abgeleitet.

 

Risiken und Komplikationen der Therapie

Das operative Risiko ist gering, zu nennen ist das ca. ein-prozentige Risiko einer klinisch relevanten Hirnblutung auf dem Punktionsweg, die je nach Lokalisation und Ausdehnung eine Hemiparese oder gar den Tod des Patienten zur Folge haben kann.

Andere Komplikationen kommen dagegen relativ häufig vor. Infektionen des Shuntsystems sprechen oft schlecht auf Antibiotika an. Häufig ist dann die Explantation des gesamten Shuntsystems notwendig. Bei eingeschränkter Plastizität des Gehirns kann das Shuntsystem zudem eine Überdrainage verursachen. Sie geht mit der Bildung von subduralen Hygromen oder einem Schlitzventrikelsyndrom einher.

Programmierbare Ventile können das Risiko reduzieren. Mechanische Funktionsstörungen des Systems gehören ebenfalls zu den Risiken: Trotz fortgeschrittener Technik kann es zu Ventil- oder Schlauchverschlüssen, Dislokationen und Diskonnektionen kommen.

 

Verlauf und Prognose bei Hydrozephalus

Wie sich ein Hydrozephalus entwickelt und welche Aussichten es gibt, hängen stark von seiner Ursache und seinem Schweregrad ab. In akuten Fällen wie bei einer Hirnblutung oder Hirnhautentzündung kann ein rascher Anstieg des Hirndrucks lebensbedrohlich sein. Das Gehirn wird dabei nicht mehr ausreichend mit Blut versorgt, was schwerwiegende Funktionsstörungen nach sich ziehen kann. In solchen Situationen ist schnelles Eingreifen lebenswichtig.

Wird der Hydrozephalus jedoch frühzeitig erkannt, sind die Behandlungsmöglichkeiten in der Regel gut. Viele Betroffene können beispielsweise nach der Shunt-Therapie – unterstützt durch Physiotherapie und regelmäßige Nachkontrollen – ein nahezu normales Leben führen. In den meisten Fällen bleibt auch die Lebenserwartung unbeeinträchtigt, wenn die Behandlung rechtzeitig und erfolgreich erfolgt.